Gebet für Freiheit und Würde 30.11.2020

Afghanistan ist nicht sicher.

Wir hören oder lesen zwar in den Nachrichten, dass die Verhandlungen zwischen den radikal islamischen Taliban und der afghanischen Regierung angeblich Fortschritte machen, aber die scheinen lediglich darin zu bestehen, dass die Verhandlungen noch nicht komplett abgebrochen sind. Denn, noch während europäische Medien über diese angeblichen Fortschritte berichten, sprengen sich Anhänger radikaler islamischer Gruppierungen in die Luft und reißen mehr als 40 Menschen in den Tod. Über die vielen Verletzten heißt es nur, dass auch Zivilisten und vor allem Kinder darunter sind. Das war gestern, am ersten Advent in  mindestens zwei Provinzen Afghanistans.
Es gibt europäische Staaten, wie Frankreich zum Beispiel, die geflüchtete Menschen aus Afghanistan nicht in dieses Land voller Terror und Gewalt zurück schicken. Österreich gehört nicht dazu. Die österreichische Regierung ist der Meinung, dass vor allem die jungen Afghanen in der Lage sind – wenn vielleicht nicht in ihrer Heimatprovinz, dann doch irgendwo anders im Land – eine zukunftsfähige Existenz aufzubauen. Bei den Berichten, die wir immer wieder aus Afghanistan erhalten scheint das fast zynisch. Ehrenamtliche  – auch aus Tirol – und NGOs berichten immer wieder, dass sie keinen Kontakt mehr haben zu abgeschobenen Afghanen. Manche von ihnen sind nachweislich tot.

Gott, du Schöpfer der Zukunft und der Hoffnung,

du willst, dass alle Menschen in Frieden und Wohlergehen auf deiner Erde leben können. Schmerzlich erfahren wir, dass das nicht möglich ist.
Weh tut, dass es auch in unserem Land, in dem Demokratie, christliche Werte, Verantwortung füreinander groß geschrieben werden Barrieren geschaffen, Menschen ausgegrenzt und ihrer Zukunft beraubt werden.

Wir bitten dich:
für alle Menschen, die auf der Flucht sind, die heimatlos geworden sind, die kein Dach über dem Kopf haben.
Für alle Menschen, die auf der Flucht sind, weil ihr Land keine Nahrung mehr gibt, weil die Erde verdorrt ist, Heuschreckenplagen alles kahlfressen oder Naturkatastrophen Überleben und Landwirtschaft unmöglich machen.
Wir bitten dich:
für alle Menschen, die auf der Flucht sind, weil Gewalt und Terror sie bedrohen, weil sie nicht länger in Angst leben wollen, weil sich verstecken und nach innerstaatlichen Fluchtmöglichkeiten suchen keine Dauerlösung sind.

Gott, du Schöpfer der Zukunft und der Hoffnung,

wir bitten für alle Menschen, die auf der Flucht verletzt werden, die viel riskieren und doch gewaltsam zurück gebracht werden in ihre ausweglose Situation, in ein Leben ohne Perspektive.
Wir bitten für Menschen, die auf der Flucht sind vor der Flucht. Die irgendwie aushalten dort, wo sie sind, trotz Gewalt, Terror, Angst und Verfolgung, und die doch wissen, dass sie fliehen werden müssen.
Wir bitten dich für alle Menschen, die Heimweh haben und sich im neuen Land nicht zurechtfinden.
Ebenso bitten wir dich für die zahlreichen Menschen unter uns, die hier angekommen sind, die sich mit unseren Werten identifizieren, die integriert sind, sich engagieren und die doch von den Asylbehörden gesagt bekommen, dass das alles nichts zählt und sie zurückkehren sollen, dahin, von wo sie nicht ohne Grund geflohen sind.
Wir bitten für alle Menschen, die hier in Österreich, aber auch in Deutschland, Frankreich, Schweden oder in Pakistan, der Türkei oder dem Iran ihr Land mit anderen teilen, die Raum und Nahrung abgeben, weil sie wissen, dass Solidarität mit den verfolgten und Schwachen notwendig ist und normalsein sollte.

Besonders bitten wir dich, Gott, du Schöpfer der Zukunft und der Hoffnung für alle Menschen, die politisch Verantwortung tragen, die Gewalt ausüben, verdeckt oder offen und Strukturen pflegen, die nicht dem Leben dienen.
Wir bitten für die Menschen, die sich einsetzen für den Schutz und für menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen und Migrantinnen.
Für alle Menschen, die oft nach vielen Jahren noch unter den Folgen von Flucht und Vertreibung leiden.

Gott, in deinem Sohn Jesus Christus bist du selbst Flüchtling geworden, den Flüchtlingen dieser Welt gleich – und dadurch an ihrer Seite. Lege deinen bergenden Arm um die Menschen, die deine Nähe brauchen und schenke du Heimat und Zuversicht und immer wieder neue Kraft.

Danke, Gott, dass wir Sprache haben,

den Schmerz zu beklagen, das Notwendige zu erbitten
und auch das Schöne zu besingen.
Danke, dass wir nicht beredt sein müssen, nicht wort-gewaltig
und laut, dass du hörst –
auch unsere gestammelten und geflüsterten Gebete.

Und so bitten wir:
Unser Gebet sei mehr als Wunschkonzert,
Tradition und Denkleistung – es sei erfüllt mit uns selber!
Lege uns laute oder leise Worte in den Mund, die über das
hinausreichen, was erreichbar ist!
Mache unser Gebet stark und uns selber lebendig! Gemeinsam beten wir zu dir:

Vater unser im Himmel
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.